• Verlagsrecht
Verlagsrecht

Verlagsrecht

Es gibt verschiedenste Möglichkeiten, ein Werk wirtschaftlich zu verwerten. Bei einem Schriftwerk kommt beispielsweise die Veröffentlichung als Buch in einem klassischen Verlag, einem Druckkostenzuschuss-Verlag oder im Wege des Eigenverlags (Self-Publishing) sowie als E-Book (Electronic Publishing/E-Publishing) in Betracht. Eine den eigenen Interessen und Bedürfnissen gerecht werdende wirtschaftliche Verwertung setzt auch eine angemessene vertragliche Regelung zwischen Autor und Verlag voraus.

Hierbei sind spezifische verlagsrechtlichen Fragen ebenso zu berücksichtigen wie weitere Aspekte des Urheberrechts – insbesondere des Urhebervertragsrecht – des AGB-Rechts sowie des Urheberpersönlichkeitsrecht und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Zudem darf man auch das Buchpreisbindungsgesetz und das Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek nicht unbeachtet lassen.

  1. Verlagsgesetz
  2. Verlagsvertrag/Autorenvertrag
  3. Weitere Verträge im Bereich Verlagsrecht
  4. Buchpreisbindungsgesetz
  5. Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek
  6. Urheberpersönlichkeitsrecht
  7. Allgemeines Persönlichkeitsrecht

1. Verlagsgesetz

Das Verlagsgesetz (VerlG) stammt aus dem Jahr 1901 und wurde zuletzt im Jahr 2002 überarbeitet. Es gilt allgemein als teils veraltet. Daher werden in der Praxis häufig in erheblichem Umfang vom Gesetz abweichende vertragliche Regelungen getroffen. Die gesetzlichen Bestimmungen des Verlagsgesetzes sind großenteils dispositiv, d. h. von ihnen kann durch vertragliche Vereinbarung abgewichen werden.

Zu beachten ist, dass unter anderem die Regelungen des Urhebervertragsrechts in §§ 31 ff. UrhG vorrangig gelten Dies gilt insbesondere bezüglich der angemessenen Vergütung des Urhebers:

  • § 32 UrhG: Angemessene Vergütung
  • § 32a UrhG: Weitere Beteiligung des Urhebers
  • § 32b UrhG: Zwingende Anwendung
  • § 32c UrhG: Vergütung für später bekannte Nutzungsarten
  • § 36 UrhG: Gemeinsame Vergütungsregeln

Zudem haben die §§ 38 und 39 UrhG die Regelungen der §§ 3, 13 und 42 VerlG a.F. verdrängt (§ 141 Nr. 4 UrhG):

  • § 38 UrhG: Beiträge zu Sammlungen
  • § 39 UrhG: Änderungen des Werkes

Das Verlagsgesetz (VerlG) ist sowohl auf Werke der Literatur (Schriftwerke/Schriftverlag) als auch auf Werke der Tonkunst (druckfähige schriftliche Darstellungen von Werken der Musik, d. h. Noten, ggf. Liedtext/Musikverlag) anwendbar.

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2. Verlagsvertrag/Autorenvertrag

Nach § 1 VerlG wird der Verfasser durch den Verlagsvertrag (Autorenvertrag) über ein Werk der Literatur oder der Tonkunst verpflichtet, dem Verleger das Werk zur Vervielfältigung und Verbreitung für eigene Rechnung zu überlassen. Der Verleger ist im Gegenzug verpflichtet, das Werk zu vervielfältigen und zu verbreiten.

Der Verfasser hat sich gem. § 2 Abs. 1 VerlG während der Dauer des Vertragsverhältnisses jeder Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes zu enthalten, die einem Dritten während der Dauer des Urheberrechts untersagt ist. § 2 Abs. 2 und Abs. 3 VerlG sehen Ausnahmen hiervon vor.

Gemäß § 8 VerlG hat der Verfasser in dem Umfang, in welchem er nach den §§ 2 bis 7 VerlG verpflichtet ist, sich der Vervielfältigung und Verbreitung zu enthalten und sie dem Verleger zu gestatten, der Verfasser, soweit nicht aus dem Vertrage sich ein anderes ergibt, dem Verleger das ausschließliche Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung (Verlagsrecht) zu verschaffen.

Der Verleger ist nach § 14 VerlG verpflichtet, das Werk in der zweckentsprechenden und üblichen Weise zu vervielfältigen und zu verbreiten. Die Form und Ausstattung der Abzüge wird unter Beobachtung der im Verlagshandel herrschenden Übung sowie mit Rücksicht auf Zweck und Inhalt des Werkes von dem Verleger bestimmt.

Ferner enthält das Verlagsgesetz unter anderem Regelungen zur Ablieferung des Werkes (§§ 10, 11 VerlG), zum Änderungsrecht des Verfassers (§ 12 VerlG), zum Kündigungsrecht des Verlegers (§ 18 VerlG), zur Korrektur (§ 20 VerlG), zu Freiexemplaren (§ 26 VerlG) sowie zur Überlassung von Abzügen zum Vorzugspreis (§ 26 VerlG), zu Beendigung und Rücktritt (§§ 29 ff. VerlG) sowie Regelungen in Bezug auf Sammelwerke (§§ 19, 41–45 VerlG), gemeinfreie Werke (§§ 39, 40 VerlG), Sonderausgaben (§ 4 VerlG) und Neuauflagen (§ 17 VerlG).

In der Praxis werden häufig umfangreiche, teils von den Bestimmungen des Verlagsgesetzes abweichende, vertragliche Vereinbarungen zwischen Autor und Verlag getroffen. In einem Verlagsvertrag (Autorenvertrag) können insbesondere folgende Punkte geregelt werden:

  • Umfang/Dauer der Rechteeinräumung, Werkformen, Nutzungsarten
  • Rechte und Pflichten des Autors und des Verlags
  • Vergabe von Lizenzen an Dritte
  • Ausgestaltung und Ablieferung des Manuskripts
  • Lektorat, Korrektur, Satz
  • Werktitel
  • Auflagenhöhe
  • Verramschung, Makulierung
  • Neuauflagen
  • Vergütung (Honorar) und Abrechnung
  • Freiexemplare, Bezug zum Vorzugspreis
  • Marketing
  • Gewährleistung
  • Wettbewerbsverbot
  • Beendigung, Kündigung, Rücktritt

Gerne beraten wir Sie, wenn Sie Fragen zu einem Verlagsvertrag (Autorenvertrag) haben und erstellen bzw. prüfen für Sie derartige Verträge.

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3. Weitere Verträge im Bereich Verlagsrecht

Außer dem Verlagsvertrag (Autorenvertrag) existieren im Bereich des Verlagsrechts noch weitere Vertragstypen, die im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Verwertung von Schriftwerken von Relevanz sein können:

  • Übersetzervertrag
  • Illustratorenvertrag
  • Herausgebervertrag
  • Lizenzvertrag
  • Bestellvertrag
  • Option, Vorlizenzrecht
  • Vertragsrechtlicher Vorvertrag
  • E-Book-Vertriebsvertrag
  • Rezensionsvereinbarung
  • Interviewvereinbarung
  • Presse-Vorabdruck-Vertrag

Wenn Sie einen Rechtsanwalt für Fragen zu derartigen Vereinbarungen benötigen bzw. einen solchen Vertrag erstellen oder anwaltlich prüfen lassen möchten, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

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4. Buchpreisbindungsgesetz

Das Buchpreisbindungsgesetz (BuchPrG) muss beachtet werden. Der Zweck des Buchpreisbindungsgesetzes ist in dessen § 1 wie folgt definiert: „Das Gesetz dient dem Schutz des Kulturgutes Buch. Die Festsetzung verbindlicher Preise beim Verkauf an Letztabnehmer sichert den Erhalt eines breiten Buchangebots. Das Gesetz gewährleistet zugleich, dass dieses Angebot für eine breite Öffentlichkeit zugänglich ist, indem es die Existenz einer großen Zahl von Verkaufsstellen fördert.“

Wer gewerbs- oder geschäftsmäßig Bücher an Letztabnehmer in Deutschland verkauft, muss gemäß § 3 S. 1 BuchPrG den nach § 5 BuchPrG festgesetzten Preis einhalten. Dies gilt gemäß § 3 S. 2 BuchPrG jedoch nicht für den Verkauf gebrauchter Bücher.

In § 7 BuchPrG sind Ausnahmen von der Preisbindung geregelt. Hinsichtlich der Dauer der Buchpreisbindung finden sich Bestimmungen in § 8 BuchPrG.

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5. Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek

Ferner sind die Pflichten nach dem Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek (DNBG) zu beachten.

Nach § 14 Abs. 1 DNBG haben die Ablieferungspflichtigen Medienwerke in körperlicher Form nach § 2 Nr. 1 Buchstabe a DNBG in zweifacher Ausfertigung gemäß § 16 Satz 1 abzuliefern. Musiknoten, die lediglich verliehen oder vermietet werden (Miet- oder Leihmateriale), haben die Ablieferungspflichtigen in einfacher Ausfertigung gemäß § 16 Satz 1 DNBG abzuliefern.

Gemäß § 14 Abs. 2 DNBG haben die Ablieferungspflichtigen Medienwerke nach § 2 Nr. 1 Buchstabe b DNBG in einfacher Ausfertigung gemäß § 16 Satz 1 DNBG abzuliefern, wenn eine Inhaberin oder ein Inhaber des ursprünglichen Verbreitungsrechts den Sitz, eine Betriebsstätte oder den Hauptwohnsitz in Deutschland hat.

Nach § 14 Abs. 3 DNBG haben die Ablieferungspflichtigen Medienwerke in unkörperlicher Form nach § 2 Nr. 1 Buchstabe a in einfacher Ausfertigung gemäß § 16 Satz 1 abzuliefern.

Ablieferungspflichtig ist gemäß § 15 DNBG, wer berechtigt ist, das Medienwerk zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen und den Sitz, eine Betriebsstätte oder den Hauptwohnsitz in Deutschland hat.

Zudem haben die Ablieferungspflichtigen gemäß der in § 17 DNBG gesetzlich normierten Auskunftsplicht der Deutschen Nationalbibliothek bei Ablieferung der Medienwerke unentgeltlich die zu ihrer Aufgabenerfüllung notwendigen Auskünfte auf Verlangen zu erteilen. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, ist die Deutschen Nationalbibliothek nach Ablauf eines Monats seit Beginn der Verbreitung oder öffentlichen Zugänglichmachung berechtigt, die Informationen auf Kosten der Auskunftspflichtigen anderweitig zu beschaffen.

Verstöße gegen die Ablieferungspflicht (§ 14 Abs. 1, 2, 3 DNBG) und gegen die Auskunftspflicht (§ 17 S. 1 DNBG) stellen nach der Bußgeldvorschrift des § 19 DNBG Ordnungswidrigkeiten dar. Nach § 19 Abs. 3 DNBG kann die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu zehntausend Euro geahndet werden.

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6. Urheberpersönlichkeitsrecht

Das Urheberrecht umfasst neben den vermögensrechtlichen Aspekten auch das Urheberpersönlichkeitsrecht. Das Urheberrecht schützt gemäß § 11 S. 1 UrhG den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes.

Nach § 12 UrhG hat der Urheber hat das Recht zu bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist. Der Urheber hat zudem gemäß § 13 UrhG das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk. Er kann bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist. Beispielsweise bei Urhebern in Arbeitsverhältnissen oder Dienstverhältnissen sowie bei Ghostwritern sind hierbei Besonderheiten zu beachten.

Außerdem hat der Urheber nach § 14 UrhG hat das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden. Problematisch können in diesem Zusammenhang Klauseln zu Änderungsbefugnissen in Verlagsverträgen sein. Auch wenn eine Änderungsklausel vereinbart ist, muss sich der Autor nicht jegliche Änderungen seines Werkes gefallen lassen. Hierzu hat beispielhaft das Landgericht Hamburg in einem Urteil vom 22.10.2010 (Az. 308 O 78/10) ausgeführt:

„[…] Gemäß § 14 UrhG hat der Urheber das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden. Danach gilt im gesamten Urheberrecht nicht nur für denjenigen, der ein Werk widerrechtlich nutzt, sondern über § 39 UrhG auch für den Nutzungsrechtsinhaber ein generelles Änderungsverbot, es sei denn, mit dem Urheber besteht eine Änderungsvereinbarung (§ 39 Abs. 1 UrhG) oder der Nutzungszweck macht bestimmte Änderungen unumgänglich (vgl. § 39 Abs. 2 UrhG; Schulze, in: Dreier/Schulze, § 14 Rn. 2). […]“

„[…] Ausgangspunkt ist das Bestands- und Integritätsinteresse des Urhebers (Dietz/Peukert, in: Schricker, Urheberrecht, 4 Aufl. 2010, § 14 Rn. 28). Die Grenze jeder Änderungsbefugnis ist das im Kern unübertragbare Urheberpersönlichkeitsrecht; gröbliche Entstellungen können danach stets verhindert werden (Wandtke/Grunert, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 3. Aufl. 2009, § 39 Rn. 9; Schulze, in: Dreier/Schulze, § 39 Rn. 3). Ebenso wie bei der gesetzlichen Änderungsbefugnis des § 39 Abs. 2 UrhG sind Änderungsklauseln in Nutzungsverträgen nach dem Maßstab von Treu und Glauben und der Verkehrssitte auszulegen. Zu den allgemeinen Kriterien der Interessenabwägung zählen der Vertragszweck, der künstlerische Rang des in Rede stehenden Werkes und die Intensität des Eingriffs bzw. dessen Erforderlichkeit zur Ausübung des vertraglich eingeräumten Nutzungsrechts (Dietz/Peukert, in: Schricker, § 39 Rn. 15). In keinem Fall dürfen dadurch der Sinn oder die Tendenz des Werkes berührt werden (BGHZ 55, 1, 4 – Maske in Blau). Bei belletristischen Werken kann bereits eine charakteristische Rechtschreibung und Zeichensetzung eine nicht zulässige Änderung darstellen (Dietz/Peukert, in: Schricker, § 39 Rn. 17 m. w. N.).“

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7. Allgemeines Persönlichkeitsrecht

Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt vor Eingriffen in den Bereich des persönlichen Lebens und der persönlichen Freiheit. Es wird aus den Grundrechten der Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde) und Art. 2 Abs. 1 GG (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) hergeleitet. Danach hat jeder ein Recht auf Entfaltung und Achtung der eigenen Persönlichkeit. Besondere Ausprägungen hiervon sind unter anderem:

  • Schutz der der Geheimsphäre, Intimsphäre, Privatsphäre und Sozialsphäre
  • Schutz vor Unwahrheit
  • Schutz der persönlichen Ehre/des persönlichen Rufs
  • Schutz der informationellen Selbstbestimmung/Darstellung der eigenen Person
  • Recht auf Vergessenwerden
  • Recht am eigenen Bild (Bildnisschutz)
  • Postmortales Persönlichkeitsrecht (Schutz des Andenkens und der vermögenswerten Bestandteile nach dem Tod)

Durch eine Buchveröffentlichung kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt werden. Dies gilt nicht nur bei Sachbüchern, sondern kann auch bei Romanen der Fall sein, wenn reale Personen erkennbar sind bzw. Ereignisse geschildet werden, an denen real existierende Personen erkennbar beteiligt waren oder Romanfiguren aus ihrer Beschreibung und ihren charakteristischen Merkmalen ersichtlich an reale Personen angelehnt sind.

Beispielsweise führte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem grundlegenden Urteil vom 20.03.1968 (Az. I ZR 44/66) betreffend den von Klaus Mann verfassten Roman „Mephisto“ aus:

„Denn jedenfalls erfährt das Recht zur freien künstlerischen Betätigung in gewissem Umfang eine immanente Begrenzung mit Rücksicht auf das gleichfalls verfassungsrechtlich garantierte Persönlichkeitsrecht. Diese Grenze ist überschritten, wenn das Lebensbild einer bestimmten Person, die derart deutlich erkennbar als Vorbild gedient hat wie im vorliegenden Fall, durch freierfundene Zutaten grundlegend negativ entstellt wird, ohne daß dies als satirische oder sonstige Übertreibung erkennbar ist. Nimmt der Künstler im Fall der Charakterisierung einer Person bewußt derartige Veränderungen des wirklichen Geschehens vor, dann kann und muß von ihm erwartet werden, daß er im Interesse des verfassungsrechtlich garantierten Persönlichkeitsrechts die Anknüpfung an das Vorbild unerkennbar macht. Im Streitfall ist das nach den zutreffenden Ausführungen des BerG nicht geschehen. Der Einbruch in die Persönlichkeitssphäre von Gründgens wäre allenfalls zu rechtfertigen, wenn das sich aus dem Roman ergebende Charakter- und Lebensbild von Höfgen mit den grundlegenden Wesenszügen und dem Persönlichkeitsbild von Gründgens, so wie dieses aus seinem Leben zu entnehmen ist, übereinstimmen würde. Unter dieser Voraussetzung können bei einer erkennbar romanhaften Darstellung tatsächliche Vorgänge, Gespräche und Erlebnisse hinzuerfunden werden, ohne daß die Grenzen der Freiheit der Kunst überschritten wären. Im vorliegenden Fall ist aber nicht geltend gemacht worden, daß Gründgens dem Typ des zynisch rücksichtslosen Opportunisten entsprach, der im Interesse seiner Karriere unter Verrat seiner früheren politischen Gesinnung engsten Umgang mit den Machthabern pflegt, der seine Geliebte der Gestapo ausliefert und Gefährdeten lediglich aus Berechnung hilft.“

Das Bundesverfassungsgericht wies im Fall „Mephisto“ mit Beschluss vom 24.02.1971 (Az. 1 BvR 435/68) die gegen das Urteil des BGH erhobene Verfassungsbeschwerde auf und formulierte in der Begründung die „Abbild-/Urbild“-Formel wie folgt:

„Die Entscheidung darüber, ob durch die Anlehnung der künstlerischen Darstellung an Persönlichkeitsdaten der realen Wirklichkeit ein der Veröffentlichung des Kunstwerks entgegenstehender schwerer Eingriff in den schutzwürdigen Persönlichkeitsbereich des Dargestellten zu befürchten ist, kann nur unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls getroffen werden. Dabei ist zu beachten, ob und inwieweit das "Abbild" gegenüber dem "Urbild" durch die künstlerische Gestaltung des Stoffs und seine Ein- und Unterordnung in den Gesamtorganismus des Kunstwerks so verselbständigt erscheint, daß das Individuelle, Persönlich-Intime zugunsten des Allgemeinen, Zeichenhaften der "Figur" objektiviert ist. Wenn eine solche, das Kunstspezifische berücksichtigende Betrachtung jedoch ergibt, daß der Künstler ein "Porträt" des "Urbildes" gezeichnet hat oder gar zeichnen wollte, kommt es auf das Ausmaß der künstlerischen Verfremdung oder den Umfang und die Bedeutung der "Verfälschung" für den Ruf des Betroffenen der für sein Andenken an.“

Die Grundsätze aus der Mephisto-Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung vom 13.06.2007 (Az. 1 BvR 1783/05) zum Roman „Esra“ weiterentwickelt und unter anderem ausgeführt:

„Auf der anderen Seite reicht die nur nach Hinzutreten weiterer Indizien nachweisbare Vorbildfunktion einer tatsächlichen Person für eine Romanfigur nicht, um ihre Erkennbarkeit im genannten Sinne zu begründen. Da Künstler ihre Inspiration häufig in der Wirklichkeit finden, wird ein sorgfältig recherchierender Kritiker oder Literaturwissenschaftler in vielen Fällen in der Lage sein, Vorbilder für Romanfiguren oder einem Roman zugrundeliegende tatsächliche Begebenheiten zu entschlüsseln. Die Freiheit der Kunst würde zu weit eingeschränkt, wenn eine derartige Entschlüsselungsmöglichkeit bereits zur Annahme einer Erkennbarkeit der als Vorbild dienenden Person führte. Die Identifizierung muss sich vielmehr jedenfalls für den mit den Umständen vertrauten Leser aufdrängen. Das setzt regelmäßig eine hohe Kumulation von Identifizierungsmerkmalen voraus.“

[…]

„Allerdings zieht die Kunstfreiheit ihrerseits dem Persönlichkeitsrecht Grenzen. Das gilt im Verhältnis von Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht auch deshalb, weil die Durchsetzung dieses Rechts gegenüber der Kunstfreiheit stärker als andere gegenüber einem Kunstwerk geltend gemachte private Rechte (vgl. zum Eigentum BVerfG, Beschluss des Vorprüfungsausschusses vom 19. März 1984 – 2 BvR 1/84 -, NJW 1984, S. 1293) geeignet ist, der künstlerischen Freiheit inhaltliche Grenzen zu setzen. Insbesondere besteht die Gefahr, dass unter Berufung auf das Persönlichkeitsrecht öffentliche Kritik und die Diskussion von für die Öffentlichkeit und Gesellschaft wichtigen Themen unterbunden werden (vgl. Sondervotum Stein, BVerfGE 30, 200 <206 f.>).

Um diese Grenzen im konkreten Fall zu bestimmen, genügt es daher im gerichtlichen Verfahren nicht, ohne Berücksichtigung der Kunstfreiheit eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts festzustellen. Steht im Streitfall fest, dass in Ausübung der Kunstfreiheit durch schriftstellerische Tätigkeit das Persönlichkeitsrecht Dritter beeinträchtigt wird, ist bei der Entscheidung über den auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht gestützten zivilrechtlichen Abwehranspruch der Kunstfreiheit angemessen Rechnung zu tragen. Es bedarf daher der Klärung, ob diese Beeinträchtigung derart schwerwiegend ist, dass die Freiheit der Kunst zurückzutreten hat. Eine geringfügige Beeinträchtigung oder die bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung reichen hierzu angesichts der hohen Bedeutung der Kunstfreiheit nicht aus. Lässt sich freilich eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zweifelsfrei feststellen, so kann sie auch nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt werden (vgl. BVerfGE 67, 213 <228>).

Die Schwere der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts hängt dabei sowohl davon ab, in welchem Maß der Künstler es dem Leser nahelegt, den Inhalt seines Werks auf wirkliche Personen zu beziehen, wie von der Intensität der Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung, wenn der Leser diesen Bezug herstellt.“

[…]

„Die Gewährleistung der Kunstfreiheit verlangt, den Leser eines literarischen Werks für mündig zu halten, dieses von einer Meinungsäußerung zu unterscheiden und zwischen der Schilderung tatsächlicher Gegebenheiten und einer fiktiven Erzählung zu differenzieren. Ein literarisches Werk, das sich als Roman ausweist, ist daher zunächst einmal als Fiktion anzusehen, das keinen Faktizitätsanspruch erhebt. Ohne eine Vermutung für die Fiktionalität eines literarischen Textes würde man die Eigenarten eines Romans als Kunstwerk und damit die Anforderungen der Kunstfreiheit verkennen. Diese Vermutung gilt im Ausgangspunkt auch dann, wenn hinter den Romanfiguren reale Personen als Urbilder erkennbar sind. Da die Kunstfreiheit eine derartige Verwendung von Vorbildern in der Lebenswirklichkeit einschließt, kann es auch kein parallel zum Recht am eigenen Bild verstandenes Recht am eigenen Lebensbild geben, wenn dies als Recht verstanden würde, nicht zum Vorbild einer Romanfigur zu werden. Dabei muss es sich bei der in Rede stehenden Publikation allerdings tatsächlich um Literatur handeln, die für den Leser erkennbar keinen Faktizitätsanspruch erhebt. Ein fälschlicherweise als Roman etikettierter bloßer Sachbericht käme nicht in den Schutz einer kunstspezifischen Betrachtung.

Je stärker der Autor eine Romanfigur von ihrem Urbild löst und zu einer Kunstfigur verselbständigt („verfremdet“; vgl. BVerfGE 30, 173 <195>), umso mehr wird ihm eine kunstspezifische Betrachtung zugutekommen. Dabei geht es bei solcher Fiktionalisierung nicht notwendig um die völlige Beseitigung der Erkennbarkeit, sondern darum, dass dem Leser deutlich gemacht wird, dass er nicht von der Faktizität des Erzählten ausgehen soll. Zwar wirkt ein Kunstwerk neben seiner ästhetischen Realität zugleich in den Realien. Wäre man aber wegen dieser „Doppelwirkung“ gezwungen, im Rahmen einer Grundrechtsabwägung stets allein auf diese möglichen Wirkungen in den Realien abzustellen, könnte sich die Kunstfreiheit in Fällen, in denen der Roman die Persönlichkeitssphäre anderer Menschen tangiert, niemals durchsetzen. Das Gegenteil wäre der Fall, wenn man nur die ästhetische Realität im Auge behielte. Dann könnte sich das Persönlichkeitsrecht nie gegen die Kunstfreiheit durchsetzen. Eine Lösung kann daher nur in einer Abwägung gefunden werden, die beiden Grundrechten gerecht wird.“

Bei einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts können dem bzw. der Betroffenen je nach Art und Schwere der Rechtsverletzung verschiedene Ansprüche zustehen, insbesondere:

  • Unterlassung
  • Beseitigung
  • Geldentschädigung (Ersatz immaterieller Schäden, „Schmerzenzgeld“)
  • Schadensersatz (Ersatz materieller Schäden)
  • Auskunft
  • Erstattung von Kosten

Hierzu vertreten wir Sie bundesweit gerichtlich und außergerichtlich:

  • Abmahnung
  • Einstweilige Verfügung
  • Gerichtliches Hauptsacheverfahren (Klage)
  • Strafantrag, Strafanzeige
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Die Patenterie GbR

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