1. Was ist eine Abmahnung?
Durch eine Abmahnung im gewerblichen Rechtsschutz, Urheberrecht oder Wettbewerbsrecht wird der Abgemahnte auf eine von ihm begangene Rechtsverletzung hingewiesen und aufgefordert, innerhalb einer bestimmten Frist eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, verbunden mit der Ankündigung, andernfalls werde gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen. Zugleich wird der Abgemahnte zur Erstattung der Abmahnkosten und häufig auch zu Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatzleistung aufgefordert.
Die Abmahnung dient dazu, dem Abgemahnten zunächst Gelegenheit zur außergerichtlichen Beilegung des Rechtsstreits zu geben. Der Abmahnende ist vor Einleitung gerichtlicher Maßnahmen auch praktisch gehalten, der Gegenseite durch eine Abmahnung diese Gelegenheit zu geben. Andernfalls hätte der Abmahnende auch im Falle des Obsiegens vor Gericht die Kosten des gerichtlichen Verfahrens zu tragen, wenn die Gegenseite den geltend gemachten Anspruch sofort anerkennt und nicht zuvor abgemahnt worden ist.
Abzugrenzen ist die Abmahnung von der Berechtigungsanfrage. Letztere stellt lediglich eine Frage nach den Berechtigungsgründen für eine geschäftliche Handlung dar und weist auf eine mögliche Rechtsverletzung im Falle des Nichtvorliegens eines Berechtigungsgrundes hin, ohne jedoch bereits ein endgültiges Unterlassungsbegehren und die Ankündigung gerichtlicher Maßnahmen zu erhalten.
Möchten Sie gegen einen Konkurrenten vorgehen, beispielsweise weil dieser Plagiate Ihres Produktes vertreibt oder Ihre Marke imitiert, kann als erster Schritt eine Abmahnung oder eine Berechtigungsanfrage in Betracht kommen. Auch in Fällen der Produktpiraterie kann eine Abmahnung sinnvoll sein. Ebenso sind Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht (UWG) häufig Gegenstand von Abmahnungen, zum Beispiel wenn ein Mitbewerber irreführend wirbt oder Ihren Ruf mit unzutreffenden Äußerungen schädigt.
Darüber hinaus wird die Abmahnung im Arbeitsrecht eingesetzt, um einen Verstoß des Arbeitnehmers gegen arbeitsvertragliche Pflichten zum Ausdruck zu bringen und diesen unter Ankündigung arbeitsrechtlicher Konsequenzen zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten aufzufordern.
2. Abmahnung erhalten - was tun?
Wenn Sie eine Abmahnung erhalten haben, stehen verschiedene Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung. Es empfiehlt sich in jedem Fall eine sorgfältige Prüfung der Sach- und Rechtslage durch einen auf das jeweilige Rechtsgebiet spezialisierten Anwalt.
Nicht jede Abmahnung ist berechtigt. Eine unberechtigte Abmahnung im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes kann als Eingriff in den Gewerbebetrieb des Abgemahnten Gegenansprüche wie etwa Schadensersatzansprüche auslösen. In einem solchen Fall kann auch eine Gegenabmahnung in Betracht gezogen werden. Soll die durch eine Abmahnung entstandene Rechtsunsicherheit gerichtlich geklärt werden, so kann der Abgemahnte negative Feststellungsklage erheben.
Beachten Sie die in der Abmahnung genannten Fristen. Erfahrungsgemäß folgen einer Abmahnung weitere rechtliche Schritte, sodass ein „Aussitzen“ die falsche Strategie ist. Lässt beispielsweise der Abgemahnte die Abmahnung unbeantwortet oder weist die Abmahnung als seiner Ansicht nach unberechtigt zurück, so kann eine einstweilige Verfügung oder eine Klage drohen. Gerade die einstweilige Verfügung birgt unter Umständen die Gefahr eines direkten und vollständigen Werbe- und Verkaufsstopp für Sie als Abgemahnten als auch für Ihre Händler und ist daher nicht zu unterschätzen.
Erweist sich die Abmahnung hingegen als berechtigt, so kann der Abgemahnte das Bedürfnis des Abmahnenden zur Einleitung gerichtlicher Maßnahmen ausräumen und die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten vermeiden, indem er eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt, d.h. sich unterwirft.
Unter einer strafbewehrten Unterlassungserklärung versteht man eine Unterlassungserklärung, in welcher dem Abmahnenden eine Vertragsstrafe für den Fall eines zukünftigen Verstoßes versprochen wird. Hingegen sind die bloße Einstellung der Rechtsverletzung sowie die bloße Ankündigung, das beanstandete Verhalten zukünftig nicht mehr zu wiederholen, ohne das Versprechen einer angemessenen Vertragsstrafe für den Fall einer Zuwiderhandlung nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr und damit das Bedürfnis für die Einleitung gerichtlicher Maßnahmen zu beseitigen.
Es genügt also in der Regel nicht, wenn Sie alleine für sich entscheiden, das abgemahnte Verhalten zu beenden und auf die Abmahnung selbst nicht weiter reagieren oder ohne Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung dem Abmahnenden mitteilein, dass Sie das abgemahnte Verhalten zukünftig einstellen.
3. Was ist bei Abgabe einer Unterlassungserklärung bzw. bei Vorliegen eines gerichtlichen Unterlassungstitels (einstweilige Verfügung oder Urteil) zu beachten?
Im Falle eines Verstoßes gegen eine abgegebene Unterlassungserklärung ist die vereinbarte Vertragsstrafe zu zahlen. Zudem erfolgt regelmäßig eine erneute Abmahnung mit der Aufforderung zur Abgabe einer erneuten Unterlassungserklärung mit erhöhtem Vertragsstrafenversprechen.
Bei einem Verstoß gegen einen gerichtlichen Unterlassungstitel, also eine einstweilige Verfügung oder ein zur Unterlassung verpflichtendes Urteil, kann durch das Gericht auf Antrag gegen den Schuldner ein Ordnungsgeld verhängt oder Ordnungshaft angeordnet werden.
Zu beachten ist, dass sich eine Unterlassungspflicht nicht bloß darin erschöpft, das Verhalten zukünftig nicht mehr zu wiederholen, sondern daraus auch zahlreiche Beseitigungspflichten folgen. So hat beispielsweise ein Hersteller rechtsverletzende Produkte und Werbematerialien, welche sich noch bei Händlern befinden, aus der Vertriebskette zurückzurufen und den Weitervertrieb zu unterbinden.
Bei im Internet auffindbaren Rechtsverstößen hat der Schuldner unter anderem auch alles ihm Mögliche und Zumutbare zu unternehmen, um die zu unterlassenden Inhalte aus dem Zwischenspeicher von Suchmaschinen, insbesondere aus dem Cache und der Trefferliste (Snippets), zu beseitigen. Dies stellt die Abgemahnten häufig vor große Herausforderungen.
4. Abmahnung in einzelnen Rechtsgebieten
Abmahnungen wie auch Berechtigungsanfragen finden auf verschiedenen Rechtsgebieten Anwendung. Da in jedem Einzelfall eine sorgfältige Prüfung der Sach- und Rechtslage erforderlich ist und jedes Rechtsgebiet individuelle Besonderheiten aufweist, ist eine Beratung durch einen auf das jeweilige Rechtsgebiet spezialisierten Anwalt empfehlenswert.
Wir unterstützen Sie fachkundig insbesondere bei Abmahnungen und Berechtigungsanfragen auf den folgenden Rechtsgebieten:
a) Abmahnung im Patentrecht oder Gebrauchsmusterrecht
Ein erteiltes Patent gewährt dessen Inhaber die ausschließliche Befugnis, die patentierte Erfindung zu benutzen und jedem Dritten im Rahmen des geltenden Rechts die Benutzung zu untersagen. Ähnliches gilt bei einem Gebrauchsmuster. Bitte beachten Sie, dass Sie hierfür ein bereits erteiltes Patent benötigen. Die reine Patentanmeldung, welche sich noch im Prüfungsverfahren befindet, ist keine Grundlage für ein Patentverletzungsverfahren.
Wird der Patentinhaber darauf aufmerksam, dass ein Dritter ohne seine Zustimmung von der geschützten Erfindung Gebrauch macht, etwa indem er ein patentgeschütztes Erzeugnis nachahmt, so kann er den Patentverletzer abmahnen und von diesem Auskunft, Rechnungslegung, Schadensersatz und Erstattung der Abmahnkosten verlangen.
Stattdessen kann auch zunächst eine Berechtigungsanfrage in Betracht gezogen werden, beispielsweise wenn es der Patentinhaber für möglich hält, dass der Dritte über ein Vorbenutzungsrecht verfügen könnte.
b) Abmahnung im Markenrecht
Eine Abmahnung kommt im Markenrecht beispielsweise dann in Betracht, wenn der Inhaber einer eingetragenen Wortmarke oder eines als Marke geschützten Logos feststellt, dass ein Dritter seine Marke oder ein ähnliches Zeichen ohne seine Zustimmung für Waren oder Dienstleistungen verwendet, die mit denen identisch oder ähnlich sind, für welche die Marke Schutz genießt.
Dabei kann es sich um Fälle handeln, bei denen der Dritte Imitate des mit der Marke versehenen Produkts vertreibt. Dies ist jedoch nicht zwingend erforderlich. Eine Markenverletzung kann auch dann vorliegen, wenn der Dritte ein Zeichen verwendet, welches zu dem geschützten Zeichen ähnlich ist und es sich um sich um Waren oder Dienstleistungen handelt, die ähnlich zu denen sind, für welche die Marke im Register eingetragen ist. Hingegen muss es sich nicht zwingend um ein „Plagiat“ des Produkts des Markeninhabers handeln.
Relevant ist vielmehr, ob aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise Verwechslungsgefahr besteht. Dies erfordert eine umfassende Gesamtwürdigung unter Abwägung einer Vielzahl von Faktoren.
c) Abmahnung im Designrecht
Erfahrungsgemäß werden häufig besonders ansprechend und ästhetisch gestaltete Produkte kopiert. Einen Schutz gegen solche Nachahmungen bietet insbesondere ein eingetragenes Design (Geschmacksmuster) / Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Diese schützen die äußere Erscheinung eines Produkts.
Der Schutz aus einem eingetragenen Design erstreckt sich dabei auf jedes Design, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt. Bei der Beurteilung des Schutzumfangs ist der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Designs zu berücksichtigen. Um dies bewerten zu können, ist bei designrechtlichen Streitigkeiten regelmäßig eine umfangreiche Recherche nach dem sogenannten Formenschatz erforderlich. Als grobe Faustregel kann man sagen, der Schutz eines eingetragenen Designs ist wie im Register abgebildet zu bemessen.
Rechnen Sie allerdings stets damit, dass der Abgemahnte sich verteidigen und versuchen wird, Ihr Schutzrecht, welches Sie in der Abmahnung geltend machen, zu Fall zu bringen.
d) Abmahnung im Urheberrecht
Urheberrechtliche Abmahnungen sind aus Verbrauchersicht häufig bekannt aus Fällen von Filesharing und illegalen Downloads von Musik oder Filmen aus dem Internet. Eine urheberrechtliche Abmahnung droht auch dann, wenn Fotos oder Texte ohne Zustimmung des Urhebers verwendet worden sind.
Darüber hinaus ist das Urheberrecht aber auch bei Software sehr relevant, da insbesondere der Quelltext (source code) urheberrechtlichen Schutz genießt.
Des Weiteren kann auch die äußere Gestaltung von Gebrauchsgegenständen (z.B. Möbel) unter den Schutz des Urheberrechts fallen. Eine urheberrechtliche Abmahnung kann daher unter Umständen auch dann in Betracht gezogen werden, wenn Sie ein ästhetisch gestaltetes Produkt geschaffen, aber kein entsprechendes Design eingetragen haben und/oder die Schutzdauer eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmackmusters abgelaufen ist. Das Urheberrecht entsteht durch die Schaffung des Werkes und erfordert keine Anmeldung bei einem Amt oder Eintragung in ein Register. Es erlischt siebzig Jahre nach dem Tod des Urhebers.
e) Abmahnung im Wettbewerbsrecht
Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dient dem Schutz von Mitbewerbern, Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie sonstigen Marktteilnehmern vor unlauteren geschäftlichen Handlungen und schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit vor einem unverfälschten Wettbewerb.
Wirbt ihr Mitbewerber beispielsweise mit irreführenden Angaben oder verleumdet Sie, indem er unzutreffende, herabsetzende und geschäftsschädigende Äußerungen über Sie verbreitet, können Sie sich mit einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung dagegen zur Wehr setzen.
Gleiches gilt, wenn sich Ihr Mitbewerber nicht an gesetzliche Vorschriften hält, welche von der Rechtsprechung als sogenannte Marktverhaltensregelungen anerkannt sind. Hierdurch ersparen sich manche Konkurrenten Aufwendungen, die sich rechtskonform verhaltende Mitbewerber investieren müssen und verschaffen sich somit in unlauterer Weise einen Wettbewerbsvorsprung (sogenannter Vorsprung durch Rechtsbruch).
f) Abmahnung im Internetrecht
Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, obwohl das viele Nutzer wohl mittlerweile glauben. Gerade die geschäftliche Tätigkeit im Internet berührt in vielfältiger Weise Angelegenheiten des gewerblichen Rechtsschutzes, Urheberrechts und Wettbewerbsrechts.
Dabei stehen wegen der einfachen Auffindbarkeit und Überprüfbarkeit durch Konkurrenten häufig Betreiber von Onlineshops im Fokus von Abmahnungen. Diese sehen sich beispielsweise häufig mit Aspekten des Telemediengesetzes (wie im Falle von Impressumsangaben) sowie Aufklärungspflichten, etwa die Verlinkung auf die Plattform der EU zur Online-Streitbeilegung (OS-Plattform), Widerrufsbelehrung oder Grundpreisangaben, konfrontiert.
g) Abmahnung im Arbeitsrecht
Mit einer arbeitsrechtlichen Abmahnung rügt der Arbeitgeber einen Verstoß des Arbeitnehmers gegen arbeitsvertragliche Pflichten und bringt zum Ausdruck, dass das abgemahnte Verhalten nicht geduldet wird. Zugleich wird der Arbeitnehmer aufgefordert, seine arbeitsvertraglichen Pflichte zukünftig ordnungsgemäß zu erfüllen und es werden arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung angekündigt. Eine solche kann insbesondere eine Kündigung darstellen.
Die Abmahnung dient im Arbeitsrecht zum einen der Dokumentation eines Verstoßes gegen arbeitsvertragliche Pflichten und zum anderen der Warnung des Arbeitnehmers. Des Weiteren hat die Rechtsprechung die Abmahnung in den meisten Fällen praktisch zu einer ungeschriebenen Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung entwickelt.
Ist eine Abmahnung unberechtigt, so kann der Arbeitnehmer Widerruf und Entfernung aus seiner Personalakte verlangen. Diesen Anspruch kann der Arbeitnehmer auch gerichtlich durchsetzen. Er kann es aber auch im Falle einer späteren Kündigung auf einen Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht ankommen lassen.